LIEBE – Kurzfilmprogramm

Was wäre das Kino ohne Liebe, lüsterne Blicke, erotische Spannung, Küsse und romantische Spaziergänge? Ohne Abschiede voller Sehnsucht und verrücktem Aufruhr… „Casablanca“, „Die Liebenden von Pont-Neuf“, „Endlos“… Das Kino der Liebe ist der demokratischste Ausdruck unseres Lebens: Romantisches / egalitäres / amoralisches Thema unserer Begegnung mit dem Film und uns selbst, und ein Kurzfilm ist seine Essenz – das Bild von Wünschen, Gefühlen und Sehnsüchten, die die Grundlage unserer Existenz sind, und die Freude, Erfüllung, Traurigkeit der Wünsche, die Hoffnung auf körperliche Nähe, ein Moment des Zögerns, der Enttäuschung oder die Frage, was Liebe ist, begleitet uns von der Wiege an.

Eine Begegnung mit einem Kurzfilm über die Liebe ist für uns ein Moment der Besinnung auf das, was die wichtigste Erfahrung in unserem Leben ist – ein Moment der Besinnung oder eine Herausforderung, ein hormoneller Aufruhr… Die Liebe hat unzählige Gesichter in der Menge unserer Faszinationen und Sehnsüchte, und unserer kulturellen Gegebenheiten. Ein kurzes Programm über die kurze Liebe ist ein Blick in die Ecken und Winkel unserer Sehnsüchte und Vorstellungen darüber, was die Begegnung mit einem anderen Menschen ist. Die Tatsache, dass dieses Tete-a-tete uns überrascht und es nicht das ist, was wir uns vorstellen, was uns zu Hause über die Liebe erzählt wurde, beweist, dass das, was wir uns über dieses große Gefühl vorstellen, oft eine Sackgasse unserer romantischen Wünsche ist.

Geben wir der Liebe eine Chance, ohne das Sakrament der ewigen Erfüllung im alltäglichen Wiedererkennen eines anderen Menschen und in der Freude der kinematografischen Erfüllung.


Hot Dog, Marleen Mayr, Alma Buddecke, Germany 2019, 7’41”
Flamingo Pride, Tomer Eshed, Germany 2011, 6’02”
Was Bleibt/What remains, Chiara Fleischhacker, Germany/France 2018, 8’25”
Delay, Tomas Leach, Germany 2014, 7’16”
Flowers for the Lady, Sven Hain, Germany 2000, 8’04”
Sexy Laundry, Izabella Plucińska, Germany 2015, 12′
Emma und die Wut/Emma and the Fury, Elisa Mishto, Germany 2018, 14’45”
Kleptomami, Pola Beck, Germany 2017, 9’58”
12 Jahre/12 Years, Daniel Nocke, Germany 2010, 3’30”

Futur Drei

Parvis wächst als Kind der Millenial-Generation im komfortablen Wohlstand seiner iranischen Einwanderer-Eltern auf. Dem Provinzleben in Hildesheim versucht er sich durch Popkultur, Grindr-Dates und Raves zu entziehen. Nach einem Ladendiebstahl leistet er Sozialstunden als Übersetzer in einer Unterkunft für Geflüchtete. Dort trifft er auf das iranische Geschwisterpaar Banafshe und Amon. Zwischen ihnen entwickelt sich eine fragile Dreierbeziehung, die zunehmend von dem Bewusstsein geprägt ist, dass ihre Zukunft in Deutschland ungleich ist.
In seinem autobiographischen Regiedebüt erzählt Faraz Shariat, Jahrgang 1994, authentisch und zugleich wundersam überhöht vom queeren Heranwachsen eines Einwanderersohns in Deutschland – und liefert damit einen entschlossenen Gegenentwurf zu einem konventionellen deutschen Kino, in dem post-migrantische Erlebnisse und Geschichten von Einwanderern und ihrer Familien allzu oft ausgeschlossen oder misrepräsentiert werden. Für sein sensibles, pop-affines und kraftvolles Plädoyer für Diversität wurde Futur Drei beim First Steps Award 2019 als Bester Spielfilm ausgezeichnet, Shariats junges Darsteller*innen-Ensemble (Banafshe Hourmazdi, Eidin Jalali, Benjamin Radjaipour) erhielt den Götz-George-Nachwuchspreis. Auf der Berlinale, wo der Film im Panorama seine Weltpremiere feierte, wurde Futur Drei mit zwei Teddys (Bester Spielfilm, Leser*innen-Preis) geehrt.

DE 2020, 91 Min.,
Regie: Faraz Shariat
Kamera: Simon Vu
Schnitt: Friederike Hohmuth
mit: Benjamin Radjaipour, Banafshe Hourmazdi, Eidin Jalali

Sunburned

Im Süden von Spanien, die Küste Marokkos kann man an guten Tagen mit bloßem Auge sehen, verbringt die 13-jährige Claire gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Zoe und ihrer Mutter Sophie den Sommerurlaub in einer Hotelanlage mit Animation und allem Komfort. Während die Mutter mit einem Animateur anbandelt und Zoe ebenfalls einen Urlaubsflirt findet, fühlt sich Claire bald schon völlig überflüssig und zieht überwiegend alleine los. Bei einem ihrer Strandspaziergänge lernt sie den aus dem Senegal geflohenen Strandverkäufer Amram.

„Sunburned“ ist keine normale Urlaubsgeschichte. Viel mehr erzählt er mit leisen Zwischentöne und feine Abstufungen lakonisch eine Geschickt von der Zeit des Heranwachsens und des Sich-unverstanden-Fühlens. Dabei geht es auch stets um Machtverhältnisse zwischen Claire und Amram, von ökonomischen Zwängen und dem schonungslosen Allgegenwart des Kapitalismus in dem alles auf Tausch- und Abhängigkeitsverhältnisse hinausläuft.

 „Sunburned“ ist der dritte Spielfilm der in Berlin lebenden Schwedin Carolina Hellsgård.

Deutschland, Niederlande, Polen 2020, 94 min

R: Carolina Hellsgård
K: Wojciech Staron

S: Ruth Schönegge

M: Alex Simu

D: Zita Gaier, Gedion Oduor Wekesa, Sabine Timoteo, Nicolais Borger

Nackte Tiere

Sie küssen und sie schlagen sich. Er knallt sie im Streit so stark gegen einen Schulspind, dass sie mit drei Stichen genäht werden muss. Sie würgt ihn so lange, bis er kurz ohnmächtig wird. Unmittelbar darauf Lachen und Küsse.

„Nackte Tiere“ strotzt vor Leben und macht uns selbst zu Verunsicherten. Fünf Freunde, keine Erklärungen, eine schmerzlich-schöne Unmittelbarkeit in blau gestochenen Nahaufnahmen, Sozialrealismus in der Provinzplatte im fast quadratischen 6:5-Format. Ein Freundestrudel zwischen Liebe, Abschiedsschmerz und Selbstfindung: das Coming-of-Age als animalische Implosion. 

Der Film von Melanie Waelde ist ein raues assoziatives Kino, mehr Gefühl als Geschichte. Ein Film zwischen Resignation und Aufbruch, zwischen gestern und morgen, ein Film vom Übergang von Schule zum Erwachsenenleben, von den Unsicherheiten, jugendlichen Nöten, eben jenem Leben im Dazwischen.

Melanie Waeldes furioses Debüt »NACKTE TIERE« feierte seine Premiere bei der neuen Berlinale-Sektion Encouters.

2020, 83 min

R: Melanie Waelde

B: Melanie Waelde

K: Fion Mutert

D:Marie TragoustiSammy ScheuritzelMichelangelo FortuzziLuna SchallerPaul Michael StiehlerFlorian SchmidtkeLuna Krüger

Kokon

Jahrhundertsommer in Berlin-Kreuzberg. Im multikulturellen Mikrokosmos rund um das Kottbusser Tor bahnt sich die 14-jährige Nora ihren Weg durchs Erwachsenwerden. Während die Hitze auf ihrer Haut klebt, bekommt sie zum ersten Mal die Periode, entdeckt ihre Liebe für andere Mädchen und lernt die wilde Romy kennen. Mit ihr wirkt die Welt plötzlich endlos groß und voller verborgener Schönheit, der Park wird zum Dschungel, das Freibad zum Meer. Nora lernt, zu sich zu stehen und traut sich endlich Wege abseits der Clique ihrer älteren Schwester Jule zu gehen. Doch wie kann Nora ihren Blick für all diese Schönheit bewahren, nachdem ihr zum ersten Mal das Herz gebrochen wurde?

In ihrem zweiten Film „Kokon“ erzählt Regisseurin und Drehbuchautorin Leonie Krippendorff in sinnlichen Bildern eine authentische Berliner Coming-of-Age-Geschichte über aufkeimende Gefühle, sexuelles Erwachen und die erste große Liebe. Ein Film über wilde Mädchen, die sich von den Körperbildern der allgegenwärtigen sozialen Netzwerke emanzipieren und erst so herausfinden, wer sie sein wollen.

D 2020, 94 min

R / B: Leonie Krippendorff

K: Martin Neumeyer

D: Lena Urzendowsky, Jella Haase, Lena Klenke

Elina Vildanova, Vivienne, Anja Schneider

Notes of Berlin

Ein Tag und eine Nacht in Berlin: Das Karma fährt einen elektrischen Rollstuhl, ein WG-Casting endet mit einer Hausbesetzung, ein Koch und ein entflohener Hund werden zu Königen, alle suchen einen werdenden Vater und ein Hase bringt einen Nerd dazu, endlich seine Nachbarn kennenzulernen. Fahren Berliner Taxis eigentlich bis zum Eiffelturm? Und wer ist die Queen von Berlin? 

„Notes of Berlin“ erzählt vierzehn komische, traurige und skurrile Geschichten aus 24 Stunden des Berliner Lebens. All diese Geschichten sind inspiriert von echten Aushängen, die in den Straßen der Stadt hingen – an Laternenpfählen, in Treppenhäusern, in Hinterhöfen. Und wir flanieren mit den Helden durch die Stadt und erleben sie als unser eigenes.

Der Film ist eine Liebeserklärung an Berlin, zeigt den alltäglichen Wahnsinn und zufällige Begegnungen und macht die Stadt zur Protagonistin, denn: „Das Herz der Stadt schlägt auf der Straße“.

D 2020, 105 min

Regie: Mariejosephin Schneider

Drehbuch: Mariejosephin Schneider, Thomas Gerhold

Kamera: Carmen Treichl

Darsteller: Andrea Sawatzki, Tom Lass, Paul Boche, Katja Sallay, Bartholomew Sammut

Giraffe

Ein Tunnel soll gebaut werden, um Dänemark und Deutschland zu verbinden; die Gegenwart macht sich in Richtung Zukunft auf, Veränderung liegt in der Luft…

Die Ethnologin Dara dokumentiert die zum Abriss bestimmten Häuser. Der junge Pole Lucek und seine Kollegen bereiten die kommende Baustelle vor. Käthe arbeitet auf der Fähre, bringt stetig Menschen mit ihren Geschichten und Waren hin und her. Birte und Leif verlassen ihr über Generation vererbtes Haus. Agnes‘ Leben spiegelt sich in ihren Tagebucheinträgen, ihren Sammlerstücken und den Wänden ihres Hauses, das bald abgerissen wird. Ein dänischer Sommer: lange Tage werden zu blauen Nächten. Menschen begegnen sich, dann trennen sich ihre Wege wieder.

Die Vergangenheit wird abgerissen, und die Gegenwart ist in diesem Film so flüchtig wie die gemeinsame Zukunft. „Giraffe“ feierte seine Weltpremiera auf dem Internationalen Filmfestival in Locarno.

Dänemark/Deutschland 2019. 87 Min, OmU (deutsch/englisch/dänisch/polnisch)

R./B:  Anna Sofie Hartmann

K: Jenny Lou Ziegel

S: Sofie Steenberger

D: Lisa Loven Kongsli, Maren Eggert, Jakub Gierszał, Mariusz Feldman, Przemysław Mazurek, Janusz Chojnacki, Piotr Olszański, Andrzej Wicher, Piotr Jurczyk, Robert Płachta, Mirosław Piorunek u. a.